Frieden

Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, sondern die Anwesenheit von Gerechtigkeit.

Man könnte meinen, alle Menschen wollen Frieden. Denn wenn man jemanden fragt, ob er oder sie für den Frieden ist, werden nur die allerwenigsten verneinen. Egal ob es dabei um Krieg zwischen Ländern, um Gewalt zwischen verschiedenen Gruppen oder um psychische Gewalt im kleinen Rahmen geht – alle wollen Frieden, zumindest in ihrem eigenen Lebensbereich. Trotzdem leben wir in einer Welt voller Gewalt und Krieg. Zig Länder auf der Welt befinden sich in bewaffneten Konflikten, Millionen Menschen werden Opfer von Gewalt, ob durch Soldaten, den Staat, in der Schule oder sogar durch die eigene Familie. Besonders stark sind davon Kinder betroffen. Deshalb stellen sich besonders bei ihnen viele Fragen: Was ist Frieden überhaupt? Wie fühlt sich Frieden an, im Kleinen wie im Großen? Und warum schaffen wir es nicht, das zu verwirklichen, was doch anscheinend alle wollen?

Was ist Frieden?

Frieden ist kein Ding, das von selbst entsteht oder verschwindet. Frieden muss getan, gelebt und geschaffen werden. Von allen Nationen, einzelnen Staaten, einer Stadt oder einem Dorf. In einer Familie, in einer Schulklasse oder Gruppe. Und auch in einem selbst. Frieden ist Folge davon, wie wir Menschen miteinander umgehen, wie wir uns in Konflikten verhalten aber auch gegenüber unser Umwelt und der Natur. Frieden hat auch viel mit Verantwortung zu tun – dann, wenn wir entscheiden, wie wir mit Macht umgehen. Wenn wir entscheiden, wie wir unsere Möglichkeiten, Fähigkeiten oder (technologische) Mittel einsetzen.

Frieden bedeutet, nicht Gewalt ausgesetzt sein zu müssen. Niemand ist mehr von Gewalt betroffen als Kinder. Frieden heißt, dass niemand seine Stärke oder Macht ausnutzt, um Kindern körperlich oder seelisch weh zu tun.

Nichts ist schrecklicher als Krieg. Der damit verbundenen Angst, dem Leid und der Gewalt sind Millionen Kinder auf der Welt ausgeliefert. Frieden, das ist eine Welt, die ohne Waffen auskommt. Frieden ist aber nicht nur die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist auch ein „weniger“ an Not, an Unfreiheit, an Gewalt.

Das muss nicht heißen, dass es keine Konflikte, keinen Streit geben darf. Aber die sollen prinzipiell gewaltlos und ohne Beleidigungen und Kränkungen ausgetragen werden. Das muss gelernt werden. Frieden heißt auch, sich stark machen für andere, die sich alleine nicht genug helfen können – gegen Mobbing aufzutreten oder in der Straßenbahn aufstehen, wenn jemand heruntergemacht wird.


Wie ist eine Welt des Friedens?

Die Kinderfreunde setzen sich für eine Welt ein,

…in der Konflikte und Streitigkeiten gewaltlos gelöst werden können. Die Grundlage dafür ist Respekt vor dem Mensch und seinen Rechten.

…in der es keine Waffen gibt – weder Atombomben, Panzer noch Abfangjäger. All diese Dinge sind nur dazu da, um Krieg zu führen und Menschen zu verletzen oder zu töten.

…in der es Foren, Regeln und Orte der Diskussion gibt, um Auseinandersetzungen friedlich austragen und lösen zu können. Als Beispiel für ein solches Forum sind die Vereinten Nationen zu nennen. Doch auch die wöchentliche Schulstunde, die nur dafür reserviert ist, gemeinsam Probleme zu besprechen und an einer Lösung zu arbeiten, ist eine Möglichkeit von vielen. Streitschlichtung muss im Kleinen gelernt und im Großen gelebt werden. In letzter Konsequenz wollen die Kinderfreunde eine Welt ohne Mauern und Grenzen und eine Welt der friedlichen Verständigung zwischen den Völkern.

…in der Demokratie, Mitbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe mehr sind als leere Floskeln und alle Mitglieder der Gesellschaft einen angemessenen Zugang zu Debatten, Partizipationsprozessen und demokratischen Entscheidungsfindungen haben.

…in der Kooperation und gemeinschaftliche Konfliktlösung wertvoller sind als Konkurrenz und das Gemeinwohl vor dem Ergebnis für den/die Einzelne/n steht. Das gilt nicht nur für die „große Bühne“, sondern auch im Kleinen.

…in der Frieden sowohl global als auch innerhalb einer Gesellschaft durch soziale Gerechtigkeit erlangt wird. Spannungen entstehen durch Ungleichheit und können durch faire Verteilung von Wohlstand, Zugang zu Bildung, politischen Diskussionen und Macht verhindert werden.

…in der Österreich als neutrales Land kein Bundesheer benötigt und die bisher dafür verwendeten Ressourcen für Katastrophenschutz und in das Sozialsystem investiert werden.

…in der Kinder besonderen Schutz vor Krieg und Gewalt erfahren, sich selbst entfalten und ihr Leben selbst bestimmen können. Wenn Kinder in einem gewalt- und unterdrückungsfreien Umfeld aufwachsen, werden sie auch als Erwachsene nach eben jenen Leitlinien leben und handeln. Denn eine Welt, in der alle Menschen einander mit dem gleichen Ausmaß an Respekt begegnen, die Chancen und Machtverhältnisse gerecht verteilt sind, in der alle Menschen Möglichkeiten zur Entfaltung haben, ist eine friedliche Welt.


Wie ist die Welt in der wir leben?

Der Großteil der Menschheit will eine Welt des Friedens, die Realität zum heutigen Tag ist fast das genaue Gegenteil. Zum aktuellen Zeitpunkt herrschen auf der Welt etwa 40 – 50 bewaffnete Konflikte gleichzeitig.[1] Diese Zahl war nur Anfang der 1990er Jahre, nach dem Zerfall der Sowjetunion höher. Um ein Jahr zu finden, in dem es keinen bewaffneten Konflikt irgendwo auf der Erde gab, muss man Jahrhunderte in die Vergangenheit blicken.[2]

Warum es Krieg gibt, ist klar: Im Jahr 2012 wurden weltweit 1,33 Billionen Euro (1.330.000.000.000,- €) für Rüstung ausgegeben.[3] (Das entspricht dem 12-fachen der jährlichen österreichischen Staatsausgaben.)[4] Wo solche Summen ausgegeben werden, gibt es logischerweise auch eine andere Seite, die diese Summen einnimmt. Das sind Rüstungskonzerne, die mit derartigen Einkünften natürlich nicht daran interessiert sind, dass irgendwo auf der Welt Frieden herrscht. Wenn man genau hinsieht, wird man auch erkennen, dass es eben jene Konzerne sind, die durch Lobbying-Aktivitäten sehr starken Einfluss auf verschiedene Regierungen haben und so dafür sorgen, dass ihr Geschäft niemals endet. Von den aktuell schwelenden bis zu 50 bewaffneten Konflikten sind weltweit bis zu 20 Millionen Kinder betroffen[5], sie werden getötet, als Kindersoldaten eingesetzt oder müssen aufgrund von Krieg, Zerstörung und Angst mit oder ohne Familie flüchten.

Doch auch in Ländern ohne bewaffnete Konflikte können viele Kinder nicht in einem friedlichen Umfeld aufwachsen. Jedes Jahr gibt es in Österreich über 10.000 Anzeigen wegen Gewalt an Kindern.[6] Die Dunkelziffer in dieser Statistik liegt natürlich weitaus höher, weil nur jene Fälle erfasst werden, die auch zur Anzeige gebracht werden. Dass die sogenannte „körperliche Züchtigung“ in vielen Familien noch immer Thema ist, zeigen weitere Statistiken. 55 % der Erwachsenen in Österreich glauben, dass eine „gesunde Ohrfeige“ in Ordnung ist[7], obwohl Gewalt in der Erziehung seit 1989 verboten ist. Gewalt ist aber nicht nur auf einer körperlichen Ebene ein Problem, Kinder sind auch sehr oft Opfer von psychischer Gewalt.

Ein Thema, das viele Kinder aktuell stärker beschäftigt als je zuvor, ist die Angst. Eine Welt voller Gewalt, Terror und Krieg und Informationstechnologie, die den Schrecken in jedes Wohnzimmer bringen kann, ist nur eine Seite der Medaille. Auch in der Schule, im Elternhaus oder auf dem Schulhof erleben Kinder Angst. Sie wird als Machtinstrument eingesetzt – gegen Erwachsene wie gegen Kinder. Als Kinderfreunde stehen wir für angstfreies Aufwachsen von Kindern und für die Errichtung von Räumen, in denen sie ihre Ängste und Sorgen jemandem anvertrauen können, ohne sich vor Konsequenzen sorgen zu müssen.

Emotionale Erpressung, Angst oder Drohungen gegen Kinder sind nur ein kleiner Auszug der vielen Facetten der Gewalt. Es zeigt sich, dass für Kinder und Jugendliche im Großen wie im Kleinen körperliche wie psychische Gewalt auf der Tagesordnung steht. Im Informationszeitalter erreichen Kriege aus jedem Winkel der Welt unsere Wohn- und auch die Kinderzimmer, doch auch aus nächster Nähe machen Kinder Gewalterfahrungen. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Welt ohne Krieg, Unterdrückung und Gewalt für viele unvorstellbar ist und das Auftreten gegen Gewalt und Krieg für viele ein von vorne herein aussichtsloser Kampf zu sein scheint.


Wir verändern die Welt!

Wir Kinderfreunde möchten Werkzeuge des Friedens sein, weil wir eine Vision von einer Welt des Friedens haben. Diese Welt ist vielleicht nicht von heute auf morgen zu erreichen, doch auch den längsten und beschwerlichsten Weg kann man mit vielen kleinen Schritten bewältigen. Eines der Friedenslieder der Kinderfreunde und Roten Falken sagt „Das weiche Wasser bricht den Stein“ und so ist die Friedenspädagogik in der gesamten Organisation eine stetige Bemühung, Kindern und Jugendlichen zu zeigen wie eine Welt ohne Gewalt und Krieg aussehen kann und was das für den oder die Einzelne bedeutet. Wir arbeiten an der konkreten Umsetzung einer solchen Welt, indem wir Pazifismus und Antimilitarismus sowohl als Haltung vorleben, gleichermaßen jedoch zum Thema unserer pädagogischen Arbeit machen. Die Kinderfreunde können auf eine lange Tradition der Friedenspädagogik zurückblicken, das Aushängeschild sind dabei mit Sicherheit die großen Anti-Kriegsspielzeug-Kampagnen, die bis in die Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg zurückreichen. Mit der Botschaft „Die Waffe ist kein Spielzeug“ transportieren die Kinderfreunde auch heute noch eine Wertehaltung, die zu einem grundsätzlichen Bewusstsein für den Grundwert Frieden führen soll. Die Arbeit in den Gruppierungen der Kinderfreunde und Roten Falken entzieht gewalttätigen Auseinandersetzungen den Nährboden. Spiele ohne Sieger/innen, die Förderung von positiven Gruppenerlebnissen oder die Arbeit gegen Ausgrenzung und Rassismus sind nur wenige Beispiele für Elemente der pädagogischen Grundlagenarbeit. Der Einsatz für Kinderrechte und ihre weltweite Umsetzung ist ein langjähriger Schwerpunkt der Kinderfreunde und Roten Falken im politischen Einsatz gegen Krieg und Gewalt.

Doch auch auf der persönlichen Ebene wird konkret zum Thema Frieden gearbeitet. Zum Beispiel wenn es darum geht, sich für Schwächere einzusetzen und Zivilcourage zu zeigen. Die Grundwerte der Kinderfreunde sind ein weiterer Baustein der Friedenspädagogik. Begriffe wie Solidarität oder Freiheit sind natürliche Gegensätze zu Gewalt oder Krieg. In den Gruppierungen der Kinderfreunde steht das Gemeinsame vor dem Trennenden und es ist ein Anliegen, eine Gegenwelt mit friedlicher und solidarischer Konfliktlösung und ohne den Einfluss von Gewalt und Unterdrückung vorzuleben. Im Kosmos der Kinderfreunde erleben Kinder eine Welt der Freiheit und Gerechtigkeit und können ohne Angst vor Gewalt aufwachsen. Weil aus gewaltlos erzogenen Kindern gewaltlos handelnde Erwachsene werden, die eine Welt des Friedens verwirklichen können.